Die Sache mit dem Erzfeind
Der eine Hund aus der Hood, mit dem der eigene nicht kann …
(Dieser Blogartikel wurde ohne KI verfasst. Autorin: Rahel Chini)
Im Artikel „Aggressiver Hund?“ habe ich es schon angesprochen: mein Hund hat einen Erzfeind. Erzfeind? Was ist das eigentlich?
Hm, wollen wir mal sehen. Seit 2004 bin ich nun schon im Hundetrainings-Business tätig. Puh, das ist echt schon ziemlich lange, oder? In diesen ganzen Jahren habe ich kaum erlebt, dass ein Hund KEINEN Erzfeind hat. Viele haben sogar zwei oder drei.
Und ich finde das ganz normal. Es sind fast immer Hunde aus der Nachbarschaft. Und mit Nachbarschaft ist die ganze Hood, der ganze Kiez, das ganze Dorf gemeint, nicht nur die angrenzenden Häuser.
Bei meinem Hund Karl wurde mir das überdeutlich. Er ist nämlich der netteste Hund ever. Ich kann ihn im Hundetraining so wunderbar einsetzen, weil er einfach immer deeskaliert und höflich zu jedem Hund ist. Bei den krassesten Fällen hat es Karl hinbekommen, den anderen Hund durch seine „leck mich doch am A****“ Einstellung zu besänftigen.
Und dann kam Oskar (Name wurde geändert, um die Anonymität zu gewährleisten). Ein Aussi-Border-Mix. Oskar war in unserem Welpenkurs, in dem ich Karl früher oft dabeihatte. Ob die zwei sich also schon ganz früh begegnet sind, kann ich nicht mehr sagen, ist aber wahrscheinlich. Im Welpenkurs gab es aber keinen Stress, das weiß ich noch ganz genau. Die Antipathie muss sich also erst später entwickelt haben.
Das erste Mal aufgefallen ist es mir so richtig, als ich mit Karl spazieren ging und er, kurz nach dem Verlassen unseres Hauses, anfing aus tiefster Seele zu knurren und das Nackenfell zu sträuben. Weit und breit war niemand zu sehen. Und sowas hatte Karl vorher noch nie gemacht („Das hat er ja noch nie gemacht!!“). Sein Knurren kannte ich nur, wenn er geträumt hat und im Traum einen Hasen gejagt hatte oder so. Und dieses verträumte Knurren war auch immer lächerlich hoch, sodass ich immer schon dachte, dass ihn in der wirklichen Welt damit niemand ernst nehmen würde.
Aber dieses eine Mal war das Knurren tief und grollig (ist kein richtiges Wort, aber es passt hier irgendwie). Und ich konnte den Grund nicht ausmachen. War ja niemand sonst unterwegs. Und Karl hörte einfach nicht auf! Wir liefen eine ganze Weile so, bis ich um eine Ecke kam, von der ich die Straße weit überblicken konnte. Und siehe da: am Ende des Weges lief Oskar mit seinen Menschen. Und ich dachte noch: Oskar, oh wie schön! Lange nicht gesehen!! Und Karl dachte wohl das Gegenteil, denn auch er hatte Oskar dann nicht mehr nur in der Nase, sondern auch vor Augen. Und ab ging die Post! Ich muss schon sagen, ich war ganz schön erschrocken. Schließlich hat mein Liebchen Karl sowas vorher noch nicht gebracht. Und ich war bis dahin der Meinung, er kommt mit allen Hunden aus. Zja, Pustekuchen (ich weiß, es heißt tja. Aber zja hat sowas unglaublich Nerviges. Vor allem, wenn man es ausspricht. Probiert es mal aus).
Die Realität holt einen ein. Immer. Und seitdem immer wieder. Oskar steht auf Karls Abschussliste ganz oben. Oskar ist aber auch der Einzige, der da draufsteht. Nie wieder gab es einen zweiten Oskar. Nicht mal annähernd. Oskar ist und bleibt Karls einzige Nemesis.
Was es ist, dass Karl an diesem Exemplar nicht mag – keine Ahnung. Er hat mit anderen Hütehunden kein Problem, also liegt es schonmal nicht an der Rasse. Ob es Oskars Geruch ist? Oskars Mimik? Oskars Dress (dafür kann er ja nun wirklich nichts)? Ich werde es wohl nie erfahren.
Im Training mit meiner Kundschaft gestehe ich jedem Hund seinen Erzfeind zu. Oder auch zwei oder drei. Wenn es mit denen nicht funktioniert, finde ich es nicht so schlimm. Solange es mit allen anderen Artgenossen besser wird.
Und man kann tatsächlich auch an Erzfeinden wachsen! Denn das ist die schwierigste Kategorie im Begegnungstraining. Und ich kenne auch ein paar Hunde, die es geschafft haben, ihre Erzfeinde von der Abschussliste zu verbannen. Herzlichen Glückwunsch!! Das ist die hohe Kunst der Toleranz. Wenn man es nicht mehr nötig hat sich aufzuregen.
Zja Karl, ob wir jemals soweit kommen werden?? Es bleibt spannend!
Eure Rahel Chini
Im Gässel 6
76857 Völkersweiler